„Ich hätte
gern noch einen Bananensplit“
Damit fängt
die Geschichte an.
Nein, das stimmt nicht ganz. Eigentlich beginnt sie bereits einige Tage zuvor mit einer E-Mail. Ein ortsansässiger Journalist fragt an, ob ich nicht - wenn ich schon mal hier in der Gegend bin - Lust hätte, ein wenig zu plaudern. Darüber, wie man sich als Haupt- und Großstadtgeschädigte im ländlichen Oberbayern fühlt. Darüber, was hier oder daheim anders oder auch gleich ist.
Nein, das stimmt nicht ganz. Eigentlich beginnt sie bereits einige Tage zuvor mit einer E-Mail. Ein ortsansässiger Journalist fragt an, ob ich nicht - wenn ich schon mal hier in der Gegend bin - Lust hätte, ein wenig zu plaudern. Darüber, wie man sich als Haupt- und Großstadtgeschädigte im ländlichen Oberbayern fühlt. Darüber, was hier oder daheim anders oder auch gleich ist.
Mir gefällt
die Idee und so erreiche ich am frühen Montagabend den Ort - mental auf das
Sammeln von Eindrücken eingestellt.
Schön ist es hier, aber das klingt zu banal. Ich sitze auf einer
Terrasse und mein Blick darf wandern. Über sanfte Hügel, den Untersberg, der in
der Ferne liegt, eingehüllt in rot-graue Dämmerung und über den ich
wahrscheinlich schon mehr weiß, als so mancher, der hier lebt. Zufall – mehr
nicht. Besucht habe ich ihn noch nie, was mein Wissen mit einem Hauch Prahlerei
überzieht. So wie der Psychologe in einem Hollywoodstreifen zu seinem Klienten
sagt: „Theoretisch kannst mir alles über die Liebe erzählen. Aber du hast dich
noch nie wehrlos in den Armen einer Frau gefühlt.“
Berlin hat auch einen Berg. Einen Hügel aus Trümmern. Nicht vergleichbar mit dem Untersberg und doch für mich einer der schönsten Plätze Berlins.
Berlin hat auch einen Berg. Einen Hügel aus Trümmern. Nicht vergleichbar mit dem Untersberg und doch für mich einer der schönsten Plätze Berlins.
Nur
zweieinhalb Tage. Kaum Zeit um richtig
anzukommen, geschweige denn einen Ort zu erfassen.
„Ist Ihre Seele auch schon hier?“ fragt mich der Journalist, als wir mittags im Bacchus sitzen.
„Ist Ihre Seele auch schon hier?“ fragt mich der Journalist, als wir mittags im Bacchus sitzen.
Ja, das mit
der Seele ist so eine Sache. Woran merkt man, ob sie da ist, oder nicht
vielleicht doch noch in Österreich hängt, wo ich die Tage davor verbracht habe?
Und liegt es an der Qualität eines Ortes, ob sie sich mit dem Nachkommen
beeilt?
„Klar ist
sie da.“ antworte ich und schaue in wache Augen. Berliner Journalisten sehen
müder aus. Während wir uns unterhalten, hält mich die Sache mit der Seele noch
einen Moment gefangen. 21 Gramm soll sie wiegen. Das ist genau die Masse, um
die sich unser Körpergewicht verringert, nachdem wir ein letztes Mal geatmet
haben. Aber auch das ist Theorie.
Unser
Gespräch nimmt eine andere Richtung. Gut so, denn die Zeit ist zu kurz um
einzutauchen in all die Geschichten,
die hier vielleicht auf der Straße liegen. Ich erzähle ein bisschen aus meinem
Leben, wir plaudern nett, verabschieden uns freundlich und einige Stunden
später spielt eine Band ein paar Meter weiter, während ich Holunder-Secco
trinke, mein Mann Bananensplit bestellt. Ich schließe die Augen und bevor ich
sie öffne, weiß ich, dass diese Szene in jeder beliebigen Stadt in jedem Ort so
spielen könnte. Lachende, plaudernde Menschen ein entspannter Sommerabend, der
vergessen lässt, dass sich der Alltag unaufhaltsam nähert.
Ich fühle
mich hier wohl. Damit bleibt die Antwort auf die Frage, wie es mir als Berlinerin
in Waging geht banal. Und doch bewirkt sie etwas. Einmal mehr stoße ich an eine
Ambivalenz, die ich, so lange ich denken kann, mit mir herumtrage. Stadtleben
ist schön. Es ist quirlig, aufregend, anstrengend, herausfordernd, laut, eng,
hektisch, verrückt, bewusstseinserweiternd und schnell. Aber durch einen Ort zu
schlendern und irgendwann jeden Winkel, jedes Gesicht zu kennen, es zu lieben,
zu hassen oder gleichgültig an ihm vorbeizugehen, ist auch ein Teil von mir.
Vielleicht ist es die Angst, irgendwann nichts Neues mehr entdecken zu können,
die mich bisher davon abgehalten hat, Berlin endgültig den Rücken zu kehren.
Vielleicht ist das der Unterschied, schießt es mir durch den Kopf. Die Anonymität wählen zu können, immer dann, wenn ich sie brauche. Stundenlang durch die Straßen zu gehen, ohne einen Menschen zu treffen, den ich kenne. Oder grußlos im Treppenhaus an dem Mieter, der drei Etagen über mir wohnt, vorbeizulaufen, im Wissen, dass er sich über meine Unhöflichkeit nicht beklagen wird. Nein, das ist keiner. Wer das hier will, geht in den Wald. Oder auf den Berg. Und auch der Bananensplit ist nicht von dem zu unterscheiden, der in Berlin über den Tresen gereicht wird..
Vielleicht ist das der Unterschied, schießt es mir durch den Kopf. Die Anonymität wählen zu können, immer dann, wenn ich sie brauche. Stundenlang durch die Straßen zu gehen, ohne einen Menschen zu treffen, den ich kenne. Oder grußlos im Treppenhaus an dem Mieter, der drei Etagen über mir wohnt, vorbeizulaufen, im Wissen, dass er sich über meine Unhöflichkeit nicht beklagen wird. Nein, das ist keiner. Wer das hier will, geht in den Wald. Oder auf den Berg. Und auch der Bananensplit ist nicht von dem zu unterscheiden, der in Berlin über den Tresen gereicht wird..
Und so bleibe ich offensichtlich eine Antwort schuldig. Ich sitze auf der Terrasse, es ist wärmer als am Montag. Meine Finger hopsen über die Tastatur, während der Untersberg noch genauso zauberhaft an seinem Platz steht, wie er es noch in vielen Tausend Jahren tun wird, dann, wenn von mir nicht einmal mehr Staub übrig ist. Morgen um diese Zeit sitze ich in einem Auto, fahre auf der A9 wieder zurück nach Berlin und werde, dort angekommen, genau nachspüren, ob ich meine Seele im Gepäck habe. Vielleicht bleibt ja ein Teil von ihr zurück an diesem schönen Ort.
Ich schaue auf, mein Mann setzt sich gegenüber. Ich frage ihn in der Hoffnung auf einen letzten Hinweis, ob denn der Bananensplit hier anders geschmeckt hat, als in Berlin.
1 Kommentar:
Hier ein Spaziergang mit dem kleinen Unterschied: http://gedichtbandlose-lyrik.de/ein-kleines-lustspiel
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